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Chronische Rücken- Oder Nackenschmerzen

Kann Cannabis bei chronischen Rücken- / Nackenschmerzen helfen?

Inhaltsverzeichnis

Das Endocannabinoid-System und Schmerzen

Um zu verstehen, wie Cannabis bei chronischen Rücken- oder Nackenschmerzen helfen kann, muss man zuerst verstehen, wie Cannabis mit dem menschlichen Körper interagiert.

Cannabis wirkt auf den menschlichen Körper, wenn seine aktiven Inhaltsstoffe, die so genannten Cannabinoide, vom körpereigenen Endocannabinoid-System verarbeitet werden. Dieses wichtige System ist im gesamten menschlichen Körper vorhanden und steuert oder beeinflusst einige seiner wichtigsten Funktionen, zum Beispiel:

  • Hunger
  • Stressreaktion
  • Gedächtnis 
  • Entzündungen
  • Schlaf
  • Muskelkontrolle
  • Antrieb
  • Stimmung
  • Schmerzen 

Das Endocannabinoid-System setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: Endocannabinoide, Rezeptoren und Enzyme. Endocannabinoide sind Moleküle, die den Cannabinoiden im Cannabis sehr ähnlich sind, aber sie werden vom menschlichen Körper auf natürliche Weise selbst produziert. Diese Endocannabinoide binden sich an Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1- und CB2-Rezeptoren), die im ganzen Körper auf der Oberfläche von Zellen zu finden sind. Dann bauen spezielle Enzyme die Endocannabinoide ab und entsorgen sie. 

Wenn es richtig funktioniert, soll dieses System helfen, die Homöostase (oder das Gleichgewicht) im menschlichen Körper aufrechtzuerhalten. 

Eine der Hauptaufgaben des Endocannabinoid-Systems ist die Regulierung des Schmerzempfindens. Obwohl der Mensch Cannabis bereits seit Jahrtausenden als Schmerzmittel einsetzt, verstehen wir erst seit der relativ jungen Entdeckung des Endocannabinoid-Systems und der Erforschung seiner Funktion, warum das so ist. 

Das Endocannabinoid-System entfaltet seine schmerzstillende Wirkung vor allem durch Stimulation der CB1- und CB2-Rezeptoren mit den körpereigenen Endocannabinoiden.

CB1-Rezeptoren sind im gesamten peripheren und zentralen Nervensystem zu finden und spielen eine große Rolle bei der Schmerzweiterleitung. Wenn die CB1-Rezeptoren stimuliert werden, hemmt dies die Informationsübertragung im gesamten Nervensystem, was die Schmerzsignale und damit unsere Schmerzwahrnehmung reduziert. Die Stimulation von CB1-Rezeptoren kann sogar unsere emotionale Reaktion auf Schmerzen verändern. 

In einer Studie, in der nachgewiesen wurde, wie CB1 Schmerzen beeinflusst, haben die Wissenschaftler durch Veränderung verschiedener Gene die CB1-Rezeptoren aus dem peripheren Nervensystem von Mäusen entfernt (aber im zentralen Nervensystem belassen) und sie dann mit Cannabinoiden behandelt. Bei den Mäusen ohne CB1-Rezeptoren war die schmerzstillende Wirkung von Cannabinoiden stark reduziert, was darauf hindeutet, dass die Stimulation der CB1-Rezeptoren im peripheren Nervensystem eine wichtige Rolle bei der Fähigkeit des Endocannabinoid-Systems zur Schmerzlinderung spielt. 

CB2-Rezeptoren hingegen finden sich vor allem in Immunzellen, die aber ebenfalls eine wichtige Aufgabe bei der Beseitigung von Schmerzen haben, da sie die Aktivität der Immunzellen im zentralen Nervensystem regulieren. In einer weiteren Studie wurden die CB2-Rezeptoren von Mäusen chemisch stimuliert, wodurch sie eine verringerte Schmerzreaktion zeigten. In Studien mit CB2 reduzierte die Aktivierung dieses Rezeptors sowohl die Marker für entzündliche Schmerzen als auch für nozizeptive Schmerzen (Wahrnehmung von Schmerzen).

Obwohl ursprünglich angenommen wurde, dass diese Effekte ausschließlich aufgrund der Anwesenheit von CB2 in Immunzellen zurückzuführen sind, gibt es inzwischen neue Belege dafür, dass CB2-Rezeptoren auch auf sensorischen Neuronen und Nervenfasern exprimieren können. Wissenschaftler glauben daher, dass es noch andere Wege gibt, durch die CB2 die Schmerzsignale beeinflussen kann, zum Beispiel durch eine indirekte Aktivierung von Opiatrezeptoren. 

Während die Wissenschaftler derzeit noch an den Details forschen, belegen die bisherigen Ergebnisse eindeutig, dass die Stimulation des Endocannabinoid-Systems zu einer Verringerung von Schmerzen führen kann. Theoretisch sollte Cannabis also durch die Aktivierung der Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems in der Lage sein, die Schmerzen im Rücken, Nacken und an anderen Körperstellen zu beseitigen.

Forschungsergebnisse zu Cannabis bei chronischen Rücken- oder Nackenschmerzen

Wenn es nur darum geht, Cannabis speziell bei Rücken- oder Nackenschmerzen zu verwenden, sind die Forschungsergebnisse recht begrenzt. Die meisten Studien zu Cannabis und Schmerzen haben sich eher auf neuropathische Schmerzen oder Schmerzen durch Krankheiten wie Krebs oder HIV konzentriert. Dennoch können wir viel darüber lernen, wie Cannabis Rücken- oder Nackenschmerzen lindern kann, wenn wir die Studien betrachten, bei denen untersucht wurde, wie Cannabis Schmerzen im Allgemeinen beeinflusst. 

Wenn man sich mit Studien über Cannabis und chronische Schmerzen befasst, wird eines klar: Schmerzen sind einer der häufigsten Gründe, warum Menschen medizinisches Cannabis konsumieren. Wenn CannabispatientInnen gefragt werden, warum sie diese Medikamente einnehmen, antwortet ein sehr hoher Prozentsatz, dass sie es wegen chronischer Schmerzen verwenden. Bei einer Umfrage kamen sogar Werte von 97% heraus. 

Noch interessanter ist, dass diese Patienten mit der Wirkung zufrieden scheinen. In einer Umfrage der UC Berkeley gaben 81% der PatientInnen an, dass Cannabis ihre Schmerzen besser lindere als Opioide, wobei auch PatientInnen, die keine Opioid-haltigen Schmerzmittel einnahmen, von ähnlichen Ergebnissen berichteten.

Natürlich sind Umfragedaten bekanntlich unzuverlässig, da die PatientInnen möglicherweise nicht beurteilen können, ob die Wirkung auf das Cannabis, den Placebo-Effekt oder etwas anderes zurückzuführen sind. Daher müssen auch präklinische und klinische Daten, mit denen Wissenschaftler kontrollierte Studien durchführen können, betrachtet werden. 

Zur Analyse dieser Forschungsergebnisse wurden verschiedene Studien zu Cannabis und Schmerzen gemischt. Es wurden mehrere große Meta-Rezensionen zu den schmerzlindernden Eigenschaften von Cannabis durchgeführt und die Autoren sind sich nicht ganz einig, wie überzeugend die Belege sind. Dennoch finden so gut wie alle, dass noch mehr Forschung erforderlich ist, um sowohl die bestmögliche Nutzung der im Handel erhältlichen Cannabisprodukte zu ermitteln als auch die Frage, ob die Vorteile der Schmerzlinderung die potenziellen Risiken von Cannabis überwiegen, vollständig zu beantworten. 

So berichteten beispielsweise die National Academies of Science and Engineering in einer Meta-Rezension der Cannabis-Literatur im Jahr 2017, dass es substanzielle Hinweise darauf gibt, dass Cannabis eine wirksame Behandlungsmethode von chronischen Schmerzen bei Erwachsenen ist und ein moderates Maß an Schmerzlinderung erzeugt. Sie gaben jedoch auch an, dass „nur sehr wenig über die Wirksamkeit, Dosierung, Darreichungsformen oder Nebenwirkungen von häufig konsumierten und kommerziell erhältlichen Cannabisprodukten bekannt ist“, und empfahlen, mehr Forschung zu betreiben, um diese Fragen zu klären. 

Die Autoren einer Rezension aus dem Jahr 2019 waren sich einig, dass einige Forschungsergebnisse auf die Wirksamkeit von Cannabis bei Schmerzen hinweisen und dass die aktuelle Forschung die derzeit verwendeten Cannabisprodukte nicht ausreichend repräsentiert, weswegen sie zur Vorsicht mahnten. 

Sie wiesen darauf hin, dass es aufgrund von Forschungseinschränkungen immer noch schwierig ist, klinisch relevante Studien über die Wirksamkeit von Cannabis bei Schmerzen durchzuführen. In den meisten Studien zur schmerzlindernden Wirkung von Cannabis wurde inhaliertes Cannabis verwendet – und nicht die Tinkturen und Nahrungsmittel, die von vielen chronischen Schmerzpatienten konsumiert werden. Außerdem werden selbst diese inhalierbaren Optionen oft von staatlichen Stellen angeboten und haben möglicherweise nicht die chemischen Profile wie die in Apotheken erhältlichen. Es gibt also eine große Lücke in dem Wissen, wie man die verfügbaren Cannabisprodukte sicher und effektiv zur Schmerzlinderung einsetzen kann. 

Eine Überprüfung der Evidenzbasis der Harvard University im Jahr 2017 ergab bei klinischen Studien, die den Einsatz von Cannabis bei Schmerzen unterstützen, eine „bescheidene“ Evidenz. In der Umfrage wurde auch erste Hinweise darauf gefunden, dass Cannabis zur Verringerung des Opioidkonsums beitragen könnte, wenn beide Substanzen zusammen verwendet werden. Dennoch empfahlen auch diese Wissenschaftler mehr Forschung, um die potenziellen Nebenwirkungen besser zu verstehen und mehr Klarheit darüber zu gewinnen, wie man Cannabis effektiv gegen Schmerzen einsetzen kann. 

Abgesehen von diesen Rezensionen haben andere Studien mehr Informationen darüber hervorgebracht, wie verschiedene Arten von Cannabis oder deren Verwendung Schmerzen beeinflussen können. Eine Studie ergab zum Beispiel, dass der kombinierte Einsatz von THC und CBD die schmerzlindernden Fähigkeiten von Cannabis im Vergleich zum Konsum nur einer dieser Substanzen deutlicher verbessert. Eine weitere Studie ergab, dass das Inhalieren von Cannabis zur Schmerzbekämpfung weniger negative Auswirkungen auf das Verdauungssystem hat als die orale Einnahme.

Cannabis bei chronischen Rücken- oder Nackenschmerzen

Basierend auf den verfügbaren Forschungsergebnissen ist klar, dass Cannabis ein großes Potenzial zur Bekämpfung von chronischen Schmerzen hat und viele Menschen nutzen es bereits für diesen Zweck. Der Konsum von Cannabis lindert Schmerzen und Entzündungen, was einen großen Einfluss auf die Lebensqualität haben kann. Derzeit laufen allerdings noch viele Studien zum Einsatz von Cannabis gegen Schmerzen und es gibt viele unbeantwortete Fragen. Dennoch wurden bereits jetzt erhebliche Fortschritte erzielt und es werden noch weitere folgen. 

Natürlich warnen die Wissenschaftler auch davor, dass wir noch nicht alle Risikofaktoren beim langfristigen Konsum von Cannabis kennen. Cannabis ist eine starke Substanz, die bei längerem Konsum Nebenwirkungen haben kann, insbesondere bei Menschen mit genetischen Veranlagungen für Krankheiten wie Schizophrenie und Depressionen. Wie bei jedem anderen Medikament sollten Sie auch hier die möglichen Risiken und Vorteile mit Ihrem Arzt besprechen, bevor Sie mit einer Cannabisbehandlung beginnen. 

Bevor Sie mit dem Cannabiskonsum beginnen, sollten Sie auch prüfen, ob Cannabis in Ihrem Land zur Behandlung chronischer Schmerzen überhaupt zugelassen ist. Selbst wenn es in Ihrem Land erlaubt ist, müssen Sie möglicherweise die Zustimmung Ihres Arztes einholen, bevor Sie es verwenden können. 

Derzeit können Patienten mit chronischen Schmerzen in folgenden Ländern Cannabis konsumieren:

  • Kanada
  • Chile 
  • Kolumbien 
  • Tschechische Republik
  • Deutschland
  • Israel 
  • Jamaika
  • Polen
  • Puerto Rico
  • Türkei
  • Uruguay

Außerdem kann Cannabis in folgenden US-Bundesstaaten bei chronischen Schmerzen verwendet werden:

  • Alaska
  • Arizona
  • Arkansas
  • Kalifornien
  • Colorado
  • Delaware
  • District of Columbia
  • Georgia
  • Hawaii
  • Iowa
  • Louisiana
  • Maine
  • Maryland
  • Massachusetts
  • Michigan
  • Minnesota
  • Missouri
  • Montana
  • Nevada
  • New Hampshire
  • New Mexico
  • Oklahoma
  • Oregon
  • Rhode Island
  • South Carolina
  • Virginia
  • Washington
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